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Rettungsring
Lebenswichtiges Utensil am Strand – was außerdem noch wichtig ist

Jedes Jahr sterben in Deutschland mehr als 400 Menschen durch Ertrinken. Oft sind andere Badegäste ganz in der Nähe und sehen zu – ohne zu verstehen, was passiert. Kein Schreien, kein Winken, kein wildes Strampeln. Im Gegenteil: Es ist ein stiller Tod, der so gar nicht dem Bild entspricht, das wir aus dem Fernsehen kennen. Dieses Phänomen hat Mario Vittone, Rettungshubschrauberpilot und Rettungsschwimmer der U.S. Coast Guard in New Orleans, in seinem Artikel „Drowning Doesn’t Look Like Drowning“ untersucht und damit für viel Aufmerksamkeit gesorgt.

Der folgende Artikel basiert auf einer Übersetzung des Originals.

Wenn Ertrinken nicht wie Ertrinken aussieht

Ertrinken? Wohl kaum. Der ehemalige Rettungsschwimmer sprang voll bekleidet ins Wasser und schwamm los. Er hielt das Opfer fest im Blick, während er sich direkt auf die Bootseigentümer zubewegte, die zwischen ihrem verankerten Sportfischerboot und dem Strand im Wasser standen. „Ich glaube, er denkt, du ertrinkst“, sagte der Mann zu seiner Frau. Sie hatten sich gerade noch bespritzt, sie hatte geschrien – jetzt standen beide bis zum Hals im Wasser auf der Sandbank. „Uns geht’s gut, was macht er da?“, fragte sie genervt. „Uns geht’s gut!“, rief der Mann und winkte dem Rettungsschwimmer, umzukehren. Doch der schwamm unbeirrt weiter. „Weg da!“, rief er, als er zwischen den verdutzten Bootseigentümern hindurchtauchte. Direkt hinter ihnen, keine drei Meter entfernt, war ihre neunjährige Tochter gerade dabei zu ertrinken. Sicher in den Armen des Rettungsschwimmers brach sie in Tränen aus: „Papa!“

Wie konnte der Rettungsschwimmer aus 15 Metern Entfernung erkennen, was der Vater aus drei Metern nicht sah?
Ertrinken ist nicht das dramatische, spritzende Rufen nach Hilfe, wie viele glauben. Der Rettungsschwimmer hatte gelernt, die Anzeichen zu erkennen – durch Ausbildung und Erfahrung. Der Vater kannte nur das Bild aus dem Fernsehen.

Wenn du Zeit am oder im Wasser verbringst, solltest du wissen, worauf du achten musst, wenn Menschen ins Wasser gehen.
Bis sie „Papa“ schluchzte, hatte sie keinen Ton von sich gegeben. Als ehemaliger Rettungsschwimmer überrascht mich das nicht. Ertrinken ist fast immer ein stiller Vorgang. Das Winken, Spritzen und Schreien, auf das wir durch Filme vorbereitet sind, passiert in Wirklichkeit selten.

Die instinktive Reaktion auf das Ertrinken (Instinctive Drowning Response) – so benannt von Dr. Francesco A. Pia – beschreibt, was Menschen tun, um das Ersticken im Wasser zu verhindern. Und das sieht ganz anders aus, als die meisten erwarten: kaum Spritzen, kein Winken, keine Schreie.
Um dir klarzumachen, wie unscheinbar Ertrinken wirkt: Es ist die zweithäufigste Unfalltodesursache bei Kindern bis 15 Jahre (nach Verkehrsunfällen). Von den Kindern, die nächstes Jahr ertrinken, wird die Hälfte nicht weiter als 20 Meter von einem Erwachsenen entfernt sein. In zehn Prozent der Fälle sieht der Erwachsene sogar zu – ohne zu merken, was passiert, weil Ertrinken nicht wie Ertrinken aussieht.

Worauf du achten musst: Anzeichen des Ertrinkens

Dr. Pia beschrieb die instinktive Reaktion auf das Ertrinken so:

  • Ertrinkende können in der Regel nicht um Hilfe rufen. Atmen hat Vorrang vor Sprechen.
  • Der Mund taucht immer wieder unter Wasser und kommt nur kurz an die Oberfläche – nicht lang genug für Ausatmen, Einatmen und Rufen.
  • Ertrinkende können nicht winken. Sie drücken instinktiv mit den Armen auf die Wasseroberfläche, um den Mund über Wasser zu halten.
  • Die Armbewegungen sind nicht kontrollierbar. Sie können nicht bewusst winken, sich bewegen oder nach Rettungsgeräten greifen.
  • Der Körper bleibt aufrecht im Wasser, ohne Treten mit den Beinen. Ohne Hilfe sinken sie nach 20 bis 60 Sekunden.

Das heißt nicht, dass jemand, der um Hilfe ruft und um sich schlägt, nicht in Gefahr ist – das ist eine Wassernotsituation. Hier können Betroffene noch aktiv mithelfen, sich zu retten.

Weitere Anzeichen des Ertrinkens

Achte auf diese Hinweise:

  • Kopf tief im Wasser, Mund auf Höhe der Oberfläche.
  • Kopf nach hinten geneigt, Mund geöffnet.
  • Glasige, leere Augen oder geschlossene Augen.
  • Haare hängen vor Stirn oder Augen.
  • Keine Beinbewegung – Körper vertikal.
  • Schnelle Atmung oder Luftschnappen.
  • Versucht zu schwimmen, kommt aber nicht voran.
  • Versucht, sich auf den Rücken zu drehen.

Wenn also ein Rettungsschwimmer ins Wasser springt und alles normal aussieht – sei nicht zu sicher. Oft ist der einzige Hinweis, dass jemand ertrinkt, dass er nicht so aussieht, als würde er ertrinken. Vielleicht tritt er nur Wasser und schaut nach oben.

Wie kannst du sicher sein? Frag: „Geht es dir gut?“ Wenn die Person antworten kann, ist alles okay. Wenn nicht – hast du vielleicht weniger als 30 Sekunden, um zu helfen.

Und an die Eltern: Kinder, die im Wasser spielen, machen Lärm. Wenn sie still werden, kann es schon zu spät sein.